Magazine for Sexuality and Politics

Poesie der Liebe

Felix Raffel

Einsamkeit

Ohne dich

wäre ich einsam

und würde Fassaden anstarren

und mattes Licht bewundern

Ohne dich

wäre ich verantwortungslos

und würde mit mir selbst reden

und meine Tage in den Strudel des Zufalls werfen

Ohne dich

wäre ich alt

und würde mein Leben schwer rechtfertigen

und meine Jugend nicht kennen

Ohne dich

wäre ich vorhersehbar

und würde meine Routine heiligen

und meine Rituale dem Staub schenken

Ohne dich

wäre ich eine exotische Pflanze,

die ihren Duft beerdigt

ohne Hauch von Musik

Ohne dich

wäre ich kein Körper

und Selbstmitleid würde verfetten in mir

Ohne dich

wäre ich die Osteoporose von Knochen,

die sich am Trauerschleier wärmen

Ohne dich

wäre ich verflucht in einem Bett

anstatt in zwei Betten gesegnet

Ohne dich

wäre ich ohne dich,

und deine Abwesenheit

würde meine Schwäche sein.


Das Leben bevor du kamst

Das bittere Lächeln ist einsam.

Es wird nicht mehr gebraucht.

Zeit quälte das Warten infam,

doch jetzt ist Sehnsucht in Segen

getaucht.

Kein tröstender Kaffee am Morgen,

kein Fernsehen in verlängerter Nacht,

kein Rinnsal unwichtiger Sorgen,

kein Essen, sich selbst lieblos gemacht,

kein Rauchen an Flüssen ohne Wiederkehr,

kein Schweiß nur des Sommers wegen,

keine Gespräche mit Anmut von Teer,

Augen, auf die keine Blicke sich legen,

Flirts, denen die Hoffnung fehlt,

Liebschaften, um Geld auszugeben,

Verzweiflung, die Wiederholung wählt,

und Ehen für ein Zehntel Leben

plagen die Leber und lassen Tage ergrauen.

Stattdessen zittert dein Gold in meinen Händen,

wir schenken uns unsere Zukunft wie ein Bett,

worin Umarmungen nie enden, und schwer

glauben wir, dass wir uns beide anschauen.


Nach dem Narzissmus

Ich sehe dich nicht in jeder Straße. Ich sehe dich nicht in jedem Raum. Ich sehe dich nicht jede Stunde. Ich sehe dich nicht in anderen Gesichtern. Ich sehe dich in meinem Schauen, auf meiner Pupille, in den Schönheiten meiner Fantasie, in den Wirbeln meiner Atmung, in den Bächen meines Blutes. Wir begegnen uns tief und immer. Der Alltag ist das Glatteis, auf dem wir gleiten. Wenn ich an dich denke, dichte ich bereits. Wenn ich abwasche, reinige ich für dich meine Hände. Wenn der Schlaf aus meinen Augen blickt, träumst du in mir. Wenn ich hin und her gehe, entferne ich mich keineswegs von dir. Wenn kalter Wind mich quält, will ich dich vor Erkältung bewahren. Dein Licht macht meine Einsamkeit unmöglich. Ohne beieinander zu sein sind wir zusammen.


Loyalität

Deine Geduld ist das Kissen,

auf dessen Weichheit

sich mein Vertrauen legt.

Im Übrigen ist deine Haut

Alabaster, den die Seen

der Berührung glätten.

Zwischen Fußball und Virus

streift uns die Ambivalenz

von Stimmen, die Grobheit

näherbringen. Im Hoch und Tief

der Befürchtungen pulsiert

unsere großmütige Eintracht.

An den Mauern der Widerspenstigkeit

zerschellt nicht unser Vergnügen.

Der Neid drückt uns nicht

die Blässe seiner Ratlosigkeit auf.

Was man von uns genommen hat,

ist nicht unsere Rache wert.

Oft müssen wir unsere Augen schließen,

um am Ende einer gemeinsamen Nacht

vor Glück einzuschlafen.


Ein Bouquet, das Wein trinkt

Deine Schönheit bleibt für dich verborgen,

wenn du sie nicht in meinen Augen siehst.

Ich kümmere mich um deine Sorgen,

die du in meinem Herzen liest.

Der Wein des Vertrauens schmeckt bitter,

wenn man ihn zu jung trinkt.

Langsam prüfen Wünsche die Wahrheit.

Ich wünschte, ich wäre im Sturm der Ritter

auf deinem Schiff, damit es nicht sinkt.

Vielleicht erstrahlt durch Rückschlag die Klarheit

klarer - wie Blumen erwachsen aus Winterschlaf.

Mein Warten aber blüht schon: weil es dich traf.


Erweiterter Nachmittag

Auf das Feld legt die Sonne ihre Weichheit,

zu durchsichtigem Rotgold werden die Wildgräser

am Nachmittag, den die Mondsüchtigen verlassen haben,

wie ein Bach fließt ein Weg unterwegs zum Horizont,

der in hellen Farben ertrinkt,

zwischen See und Bett liegt die Welt,

das Wandern reißt uns hinein in den Abend,

müde vom Wasser und gierig nach Früchten

vereinigen wir unsere Schatten,

als ob sich Galeeren Blitze aus Licht zuwerfen,

unsere Schritte machen die Erde kostbarer,

der wir vorerst nicht entfliehen können,

mit flüchtigen Blicken schon lieben wir uns,

unvergesslich für unser Gefühl

und entschlossen, der kosmischen Gleichgültigkeit

unsere Wärme zu geben,

aber erst nachdem wir sie uns selbst schenken durften,

das Flechtwerk der Krisen perlt ab von uns,

nicht anders als das Bienenwachs der Verachtung,

wie eine Komposition tauchen wir ein

in die Verspieltheit der Vielfalt,

abwandernde Engel überlassen uns den Stuck des Segens,

und mein Hauch erfreut dich mit einem Gedicht,

das ich nie geschrieben habe.


Nocturno eines untätigen Nachmittags

Das Licht flieht vom Tag

Trotzdem liege ich mit dir

schon lange im Bett

Deine Wärme versüßt

meinen Träumen die Zeit

und meinem Körper die Knochen

Aufrecht erwarten die Pappeln

den Niedergang der Wärme

und den Aufstieg des Dunkels

Winterlich beruhigt der Herbst

die Gemüter - alterslos

strömt durch unsere Zellen

Vertrauen und erlaubt unseren

Lidern Geschlossenheit


Ohne Alter

Die Nacht atmet wie ein zweiter Frühling

Der Wind spielt mit der Biederkeit

Meine Schritte klingen nach Jugend

Dein Kuss ist eine Rose, die nicht verblüht

Unsere Wärme verausgabt ihre Ewigkeit

Im Glas erzählt der Rotwein

von einer Liebesgeschichte

Tränen der Betroffenheit schenken

Salz dem See der Sehnsucht

Mit Genuss widerspricht die Gewissheit

der Unruhe - zufrieden

Selbst das bittere Gras

kann den Katzen eine Weide sein

Entfremdet der Welt wächst unsere Vertrautheit

Ohnmächtig schläft die Morbidität

in unserer Umarmung ein.


Nocturno der Befreiung

Der Hauch des Herbstes küsst uns nicht

Das besorgen wir schon selbst

Nach dem Gewitter baden wir im Regen

Er fühlt sich an wie ein frisch bezogenes Bett

Durch Analysen hast du die Nacht weggezaubert

und mich für den Optimismus erwärmt

Nun reibt meine Melancholie sich

am Onyx der Vergangenheit

und versteckt sich hinter erstarrten Häusern

Dunkle Klänge voll gequälter Hoffnung

beleben unsere aufhellenden Berührungen

Die Schwierigkeiten der Annäherung

sind verflogen und belohnen uns

mit Wiederkehr des Ewig-Zärtlichen


Dich sehen und leben

Selbst wenn ich dich nicht mehr sehe,

möchte ich dich wieder sehen.

Was immer da an Träumen vergehe:

Mein Traum von uns bleibt bestehen.

Sehen will ich dich im Winter,

wenn das Fehlen von Laub uns verstimmt.

Sehen will ich dich im Sommer hinter

dem Frühling, der im Grün der Wipfel glimmt.

Sehen will ich dich, wenn Trauer

mir wie Freude Unsicherheit bringt.

Sehen will ich dich auf lässige Dauer,

solang meiner Sehnsucht Hoffnung entspringt.

Sehen will ich dich in Glück und Not,

gesund oder nicht, in Verzweiflung

oder aber in Anfällen von Mut.

Sogar in herbstlichem Verfall

werde ich deine Augen suchen.

Sehen will ich dich ohne weitere Vokabeln,

auch wenn die Welt zur Wüste gerät.

Denn du bist jenseits aller Fabeln

der Himmel, der meine Sterne sät.

Kommentare ()

  1. Sarah 12 Januar 2022, 22:48(Der Kommentar wurde bearbeitet) # 0
    Gedichte sagen mehr als 1000 Worte. Wärmende Worte in kühlen Tagen, wie ein guter Wein… wenn er nicht mehr wirkt, dann schenkt man sich noch ein Glas ein oder ein Gedicht… mal lieblich, mal trocken, eine gute Mischung, je nach Stimmung. Vielen Dank.

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