Magazine for Sexuality and Politics

Alte und neue Gedichte

Felix Raffael

Ohne

Die Leere eines Raums

erinnert uns an unsere Abwesenheit

und schreckt uns mit der Leere der Vergängnis

Ich merke, wenn es dich nicht gibt,

wird meine Existenz in Zweifel gezogen

Es ist wie ein notwendiger Geschmack,

der einer Frucht oder einem Getränk nicht fehlen darf

Was für sich genommen wenig scheint,

ist fast alles für den,

der damit sein Leben verbindet

Die Flüchtigkeit der Gegenwart ist eine Erinnerung

an die Fragwürdigkeit der Ewigkeit

Gegeben wurde mir dein Sein

wie der Flora die Luft,

ohne die man zwar welken,

aber nicht atmen kann

Ohne dich ist die Leere eines Raums

eine Tragödie ohne Worte.



Ode für meine Eltern

Der Glanz der Juwelen besprenkelt

mein Elend. Fremde Lebensfähigkeit

musste ich mir leihen. Dankbare Seelen

nahmen mich auf, hielten mich aus. Ich hoffe,

sie können mir ihr Opfer verzeihen.

Sie ließen mich bei sich wohnen

und fütterten mich mit dem Brot

ihrer Geduld. So ließ mein Aufstieg

sich schonen, gefördert von meiner untätigen

Schuld.

Die Privilegien des Wartens

vergalt ich mit Unterhaltung

und spendete Sanftmut, wo

es gelang. In meiner langsamen

Lebensgestaltung waren andere

die Glut, deren Asche nicht

meine Kristalle verschlang.


Depeche Mode Kind of Sonnet for You

When I walk home alone,

I know somewhere you support me.

This world may be soft as stone,

but yours is the best place to be.

We should say a word on your heart,

how it's generous, wounded for no good reason.

Reason is your magnificent part,

and irregularity meaner than treason.

Of many drinks consisted our past,

your patience was weaker, your hospitality strong.

If we're not meant for ever to last,

we recognise the memories to which we belong.

Darkness will never scare our dreams.

In common we have its rather rare beams.


Im Rahmen zwischen den Zypressen

Unsere Schlaflosigkeit ist ein Erwachen,

wenn der Kosmos sein Schicksal in uns legt.

Ungeplant ist, dass wir träumerisch über uns lachen

und der Wein des Genusses unsere Lippen bewegt.

Wehrlos sind unsere Scherze, unser Müßiggang,

unser Dämmer mit Feinsinn und Blumen.

Unsere Bescheidenheit verliert ihren Überschwang,

wir müssen mit Größe für Größe bezahlen,

und wie viel, das bestimmt verborgenstes Numen.

Nicht mehr werden Felder harmlos für uns sein,

das gelbe Gold der Ruhe wird zermahlen

wie Brösel Farbstoff, leuchtend und klein,

auf der Palette, wo alles sich zusammenfügt.

Stromlinien gerben unsere Adern wie Absinth.

Der Schwertlilie haben wir als Bewunderer nicht genügt.

Heißen Schnee wünschen die Sterne aus unserem Schweiß.

Apfelblüte entkommt uns, kaum wie einst noch lind.

Es rechnet das Blei der Tage mit unserem Fleiß.

Wir hätten die Schließung der Cafés voraussehen müssen.

Planetenmusik ist keine Freundin von irdischen Genüssen.

In der Umarmung ist für uns trotzdem weiter Platz,

und soll ich einmal ganz ohne Mühe weinen

wie um einen furchtbar verlorenen Schatz,

muss man deine Haut mit meinem Verlust nur vereinen.


Die Ewigkeit zu Gast im Warna meiner Kindheit

Auf der Mole stehe ich, die Sonne taut,

ein Augenblick vergeht, in dem ich ewig war,

die Wellen streicheln kalt die Steine des Zufalls,

ich bin jung, die Unabänderlichkeit klar.

Es ist einfach, aufs Meer zu schauen,

einfach ist es, weise zu sein:

Man braucht nur Einblick, etwa in die blauen

Töne des Wassers, grüner noch als Grün allein.

Etwas an diesem Tag macht mich alt,

ich müsste keine Fragen stellen.

Die Sonne, die matt glänzt, ist nicht kalt,

erhellt meine Einsicht, wärmt keine Wellen.

Ich verstehe viel, kann wenig sagen.

Mit meinem Verständnis steigt meine Unverständlichkeit.

In jeder Hinsicht kann ich das Meer ertragen,

doch lähmt es mich, bringt mich nicht weit.

Ich weiß, ich werde mich verändern,

um zu beweisen, dass es nicht zählt.

Seltsam, der Himmel wirft mir keines von Bändern

zu, womit der Aberglaube die Sicherheit stählt.

Dreizackige Steine wurden ins Meer geworfen,

um es abzuhalten von seinem Landgewinn.

Viele Pläne waren umsonst, umsonst nicht verworfen,

man begrüßte ihren Trug ohne Sinn.

Kindereisenbahnen wurden mühsam angelegt,

Großreiche fadenscheinig gegründet.

Bald hat die Niedergangsfähre abgelegt,

verschwindet im Meer, das im Unklaren mündet.

Auf der Mole stehe ich, bewege mich nicht,

unmerklich mache ich mich in meine Nacht auf;

wo andere Schnee vergessen und sehen ins Licht,

verlasse ich mich, verlassen, auf einen ungewissen Kreislauf.


Spuren für die Entdeckungsreise

Jedes Zeitalter hat seine Farben.

Jedes Licht passt zu seiner Zeit.

So sehe ich Bauern darben

im dichten Grau barocker Ärmlichkeit.

Schwärzer ist das Dunkel barocker Räume,

gefräßig nimmt es alles auf.

Trübe Natur lockert grüne Rokoko-Träume,

befreite Wollust nimmt frivol ihren Lauf.

Härte in der Renaissance ist Klarheit,

mit marmornen Reflexen unnachgiebig durchsetzt.

Schon sieht man, dass Wissenschaft aufschreit,

die nach der Macht der Religion lechzt.

Der Zugriff alter Zeiten wird greifbar,

Fortschritt ermisst man an Wolkenbildern.

Tote Darstellung stellt den Altar,

wovor ungezwungene Kenntnisse in Verlebtem wildern.


Der Schneeleopard

Es tut weh, den Schneeleopard zu bedauern.

Aus großer Weite in größte Enge kam er.

Graue Tage sieht er ihm auflauern,

und Runden drehen fällt ihm zusehends schwer.

Ganz alleine bekämpft er die Gleichgültigkeit

und steht da als Relikt alter Kraft.

Seine Anmut wird erniedrigt von Zeit,

die ihn mehr noch gängelt als Gefangenschaft.

Mit wachem Sinn erschnuppert er das aufziehende Gewitter,

als sei davon erregende Gefahr zu erwarten.

Dann legt er sich hin, ohne zu zittern.

Gnus nebenan veranschaulichen ihm die Vielfalt der Arten.

Seine Musterung wirkt wie ausgeblichen.

In seinen Augen spiegelt sich Gestein ferner Berge.

Hat er sein Los mit seiner Befähigung verglichen,

tritt er ab von der Bühne der Zwerge.

Iryna Fedder "Adam und Eva" /  Bild Startseite:  Iryna Fedder  "Madonna nach Raffael" <br>
Iryna Fedder "Adam und Eva" /  Bild Startseite:  Iryna Fedder  "Madonna nach Raffael"

Belonging: Currents of a Sense

Die Zugehörigkeit ist ein Spiegel, in dem sich vieles spiegelt.

Eigentlich kommt Zugehörigkeit davon, dass alles zusammenhängt.

Theoretisch müssten wir uns allem und allen zugehörig fühlen.

Das tun wir erfahrungsgemäß nicht.

Stattdessen suchen wir uns aus, zu wem oder wozu wir gehören

wollen, oder wir werden ausgesucht, um zu jemandem und zu etwas zu

gehören. Manchmal ergibt sich auch von selbst ein Band, das uns

zugehörig macht, ohne dass die Zugehörigkeit überhaupt irgendwie gewollt

gewesen wäre.

Im Rahmen der allgemeinen Zugehörigkeit gibt es insofern

unglaublich viele Zugehörigkeiten, etwa so, wie das Gesicht einer Person

unfassbar viele verschiedene Masken tragen kann.

Zugehörigkeit kann ein Gefühl sein, wenn wir uns mit einem

Menschen, mit einem Lebensgefährten oder einer Lebensgefährtin, mit

einem oder einer Geliebten, mit unserer oder einer anderen Familie, mit

unserer oder einer fremden Stadt, mit einem Grundstück und einem Haus

darauf, mit einer Idee, an der wir hängen und die uns motiviert, ja

sogar mit einer bestimmten Arbeit, der wir uns widmen, fest genug

verbunden fühlen.

Die Zugehörigkeit kann eine gefühlsferne neutrale Tatsache sein,

wie sie das durchaus ist, wenn unsere Geburt unabänderlich zu einem

fixen Geburtsdatum und zu einem gewissen Geburtsort gehört.

Zugehörigkeit kann übergriffig und negativ von außen zu uns kommen,

falls zum Beispiel ein diktatorischer Staat einen Menschen zum Untertan

macht, ihn gängelt und ausbeutet.

Zugehörigkeit kann es ohne Gefühl geben, wenn ein Mensch sie

erträumt und sie in seiner Vorstellung fingiert, beispielsweise dann,

wenn man glaubt, am 04.01.1913 geboren worden zu sein, während man in

Wirklichkeit am 05.05.1914 "das Licht der Welt erblickte".

Zugehörigkeit kann uns Erfüllung schenken, Freude bringen, Halt

geben, nachdenklich stimmen, zum Zweifeln anregen, in schlechte Stimmung

versetzen, deprimieren, mutlos machen, zum Widerstand reizen, zur

Neuerfindung unser selbst animieren.

In den unterschiedlichsten Facetten der Zugehörigkeit spiegelt sich unser Einzelleben.

Aber der Spiegel der Zugehörigkeit ist gewissermaßen flüssig. Er

kann sich praktisch jederzeit auflösen und einem neuen Spiegel Platz

einräumen.

Nichtsdestotrotz vermittelt uns die Zugehörigkeit das Gefühl, auf

festem Boden zu stehen und uns in einem dunklen Labyrinth an sicheren

Wänden abstützen zu können.

Wir brauchen die Zugehörigkeit, so flüchtig sie auch sei.

Glücklicherweise enttäuscht sie uns eher selten. Etwas Zugehörigkeit bleibt immer an unserer Seite.

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