Magazine for Sexuality and Politics

SEXPOL reloaded

Notizen der Redakteurin

Susanne Schade

In der Liebe drückt sich die Sehnsucht nach einem paradiesischen Zustand der Kindheit aus, nach Harmonie und Einssein mit der Welt und den ersten Bezugspersonen, in der Regel der Mutter (vgl. Sigusch, 2019, Willi, 2019 [1975]). Die Realität sieht jedoch eher so aus, dass dieser Zustand nie wieder erreicht werden kann, auch wenn sich ganze Heerscharen von Dichtern und Denkern genau diesem Thema widmen.

Die Psychoanalyse - und das ist eben die große Errungenschaft Freuds - geht davon aus, dass das sexuelle Erleben eines Menschen bereits mit der Geburt einsetzt, wenn nicht schon einige Zeit vorher. Die Psychoanalyse ist daher stetig bemüht, das Hier und Jetzt auf gerade die frühen - prägenitalen - Phasen des Lebens (d.h. auf die orale, die anale und die ödipale Phase) zu beziehen und so ein Verstehen zu befördern und eine Heilung zu erzielen. Denn als gesund gilt, wer diese Phasen erfolgreich durchlaufen hat und im Ergebnis die Phase der genitalen Sexualität erreicht hat, das sogenannte Genitalprimat.

Die genitale Sexualität ist jedoch seit der 68er-Bewegung, auch mit den Berliner Sexpol-Gruppen (vgl. Gente, 1970, 1972) und der sexuellen Revolution immer mehr ins Hintertreffen geraten. In der Psychoanalyse hat eine Verflüchtigung des Sexuellen stattgefunden (Quindeau, 2014). Die Vorstellung, man würde jemandem zu nahetreten, indem man die genitale Sexualität zum Thema macht, ist hoch politisch, denn vielfältige Gesetzgebungsvorstöße weisen ganz vortrefflich darauf hin, dass sich der Staat in das Sexualleben seiner Bürger*innen einzumischen versteht und er die bürgerliche Kleinfamilie fördert, schützt und damit als Norm setzt. Nicht lang ist es her (1991), dass Homo- und Bisexualität pathologisiert wurden und sie als ICD-Diagnosen Bestand hatten, und Transgender- bzw. non-binäre Menschen wurden bis vor kurzem (2019) immer noch pathologisiert (als "Kranke" bezeichnet).

Dennoch: Die Gesellschaft erlebt in regelmäßigen Abständen Aufklärungswellen. Nur werden damit Menschen mit nicht-heterosexueller Identität weiterhin marginalisiert und weiter an den Rand gedrängt. In Berlin ist zwar vieles anders als im Rest des Landes, aber sogar hier werden Ausschließungsprozesse stetig reproduziert, Menschen diffamiert und in ihrer sexuellen Identität erschüttert.

Anknüpfend an die Arbeiten von Volkmar Sigusch und an eine kritische Sexualwissenschaft, möchte ich mit dem Magazine for Sexuality and Politics frische neue Ideen aufgreifen, die bisher kaum Beachtung in der Psychoanalyse und der Gesellschaft gefunden haben. Auch wenn Freud lebenslang um die Anerkennung der Psychoanalyse als Wissenschaft gekämpft hat, begreife ich sie nicht nur als solche, sondern ebenso als Kunst und politische Handlung.

Das Magazine soll aufklären, Köpfe zum Rauchen bringen und Liebe in die Welt hinaustragen. Die Idee des Magazins ist, unter einem pansexuellen Schirm Menschen mit unterschiedlichen Sexualitäten zusammenzubringen und sozialkritische Debatten zu generieren, die über die Psychoanalyse hinausgehen und diejenigen in den Fokus rücken, die bisher kaum sichtbar sind.

Mit dem Magazin wende ich mich gegen jede Form von Rassismus, Klassismus und Sexismus, gegen Homo-, Bi- und Transfeindlichkeit, Misogynie und Abwertung alternativer - nicht bürgerlicher - Lebensformen. Ich wende mich gegen eine Pathologisierung von unterschiedlichen, nicht behandlungsdürftigen (Sigusch, 2003) Sexualitäten.

Es sollen die Verhältnisse zum Tanzen gebracht werden und für einen solidarischen und respektvollen Umgang miteinander geworben werden. Gemeinsam mit Autor*innen des Magazins möchte ich reflektieren, soziale Entfremdungsprozesse aufdecken, Machtstrukturen als solche benennen und politische Handlungsfähigkeit befördern.

Die erste Ausgabe zum Thema Body Politics ist ein Auftakt in Zusammenarbeit mit Freund*innen aus unterschiedlichen Milieus und Ländern der Welt: aus Kunst, Politik, Film, sozialen Bewegungen und Psychoanalyse. Ihnen gilt mein herzlicher Dank.

Bibliographie:

Gente, H.-P. (1970). Marxismus, Psychoanalyse, Sexpol, 1. Fischer Verlag.

Gente, H.-P. (1972). Marxismus, Psychoanalyse, Sexpol, 2. Fischer Verlag.

Sigusch, V. (2003). Leitsymptome süchtig-perverser Entwicklungen. Deutsches Ärzteblatt, 1: 37-40.

Sigusch, V. (2019). Kritische Sexualwissenschaft – Ein Fazit. Campus Verlag.

Quindeau, I. (2014). Sexualität. Psychosozial Verlag.

Willi, J. (2019[1975]). Die Zweierbeziehung. Rowohlt Verlag.

Kommentare ()

    Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Kommentare werden erst nach Moderation freigeschaltet.