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Rettung unserer sterbenden Kinosäle

David T. Lynch

Ich bin alt genug, um mich daran zu erinnern, dass viele Leute und Mainstream-Medien das bevorstehende Massensterben der Kinos vorausgesagt haben. Das war nicht lange nachdem das VHS-Format im großen Videorekorder-Krieg, der vor langer Zeit in einem anderen Jahrhundert stattfand, entscheidend über das konkurrierende Beta-Format triumphiert hatte. Doch es kam anders, denn die Kinos waren immer noch recht widerstandsfähig. Ja, selbst meine technikfeindliche Familie kaufte schließlich einen Videorekorder, und wir liehen uns sogar hin und wieder ein paar Filme bei der Videothekenkette Blockbuster aus, aber das war einfach nicht das gleiche Erlebnis wie ein Kinobesuch. Schon als Kind war mir das sehr klar. Das lag zunächst an der geringen Größe unseres Fernsehers, dann an seiner durchschnittlichen Tonqualität. Hinzu kommt die traurige Tatsache, dass das Ambiente unseres Wohnzimmers leider nicht einmal mit den meisten Wartezimmern von Ärzten und Zahnärzten vergleichbar war. Es war also kein guter Ort, um einen Film zu sehen. Es gab auch andere Ablenkungen, verursacht etwa durch einen scheinbar ständigen Zustrom von Menschen und vierbeinigen Wesen. Das Kino war einfach anders, nicht nur aus ästhetischer, phänomenologischer oder psychologischer Sicht. Es besaß bestimmte einzigartige Qualitäten und, zumindest für mich, eine gewisse Art von Sakralität. Das Kino war und ist einfach etwas Besonderes.

Unsere Familie ging hauptsächlich in ein bestimmtes Kino, das in einem großen Einkaufszentrum in einer benachbarten Stadt angesiedelt war und zu einer Kette gehörte. Ich habe dort zum Beispiel Star Wars und Der dunkle Kristall gesehen. Um ehrlich zu sein, gingen wir nicht so oft ins Kino, und vielleicht trug gerade diese Tatsache etwas zu der dem Kino innewohnenden Anziehungskraft und Mystik bei, die es für mich als Kind hatte. Gelegentlich schaute ich mir zu Hause Filmvideos an, aber meistens bei einem Freund, dessen Familie Hunderte von Filmen zusammengetragen hatte, auf die eine oder andere Weise, ohne sich allzu sehr um rechtliche Konsequenzen zu kümmern, überraschenderweise im Beta-Format (das zugegebenermaßen eine bessere Bild- und Tonqualität hatte als das VHS-Format). Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich den epischen Film Red Dawn auf einem kleinen Fernseher in einem Raum voller Hundehaare und mit einer gewissen deprimierenden Atmosphäre sah.

Ein weiterer wichtiger historischer Faktor, der in den 1980er-Jahren zum Niedergang der Kinos führte, war die Einführung des Kabelfernsehens bzw. dessen weit verbreitete Nutzung. Insbesondere gab es Sender wie HBO und Showtime, die es ermöglichten, Hollywood-Filme zu sehen, ohne dass man die Videokassette ausleihen oder kaufen musste. Der Freund, den ich bereits erwähnt habe, hatte zufällig auch zu diesen Filmquellen Zugang. Die Kinos bekamen einen weiteren Dämpfer, als Unternehmen wie Netflix den Verleih von Filmen erleichterten. Wenn ich mich recht erinnere, stellten die Hollywood-Filmkonzerne Anfang der 2000er-Jahre ihre Filme in verschiedenen Formaten zur Verfügung, und zwar mit nur geringer Verzögerung, nachdem diese Filme in den Kinos gezeigt worden waren. Es überrascht nicht, dass die beeindruckende soziologische Studie über die wachsende persönliche Entfremdung und den Niedergang der sozialen Institutionen in der amerikanischen Kultur mit dem Titel Bowling Alone ebenfalls in diese Zeit fiel und im Jahr 2000 erschien. Zwei Jahrzehnte später befand sich die ganze Welt im Griff einer Pandemie. Wir waren kollektiv gezwungen, eine ganze Weile lang zu Hause zu bleiben, und diese Situation hat wohl zu einem größeren Gefühl der Innerlichkeit geführt und die Vorstellung weiter normalisiert, dass Filme dazu gedacht sind, auf einem Computerbildschirm oder einem Großbildfernseher mit oder ohne anständige Lautsprecher gesehen zu werden. In den letzten zehn Jahren und insbesondere seit dem Ausbruch der Pandemie haben wir den Aufstieg dessen erlebt, was man allgemein als „Serien“ bezeichnen könnte. Diese filmischen Produktionen, die weder ein echter Film noch eine echte Fernsehserie sind, scheinen ihren gemeinsamen Ursprung in den ersten beiden Staffeln von David Lynchs exzentrischer Fernsehserie Twin Peaks zu haben und werden ausschließlich mit privaten Seherlebnissen in Verbindung gebracht. Kinos sterben derzeit in einer Art Pandemie mit einer hohen übermäßigen Sterberate aus, was in erster Linie auf Veränderungen im allgemeinen menschlichen Verhalten und auf wirtschaftliche Faktoren zurückzuführen ist, die mit der Tatsache zusammenhängen, dass sie während der Pandemie, die die Menschen bedrohte, aus Sicherheitsgründen schließen mussten und viele von ihnen deshalb einfach den Betrieb einstellten. Parallel zu dieser Situation scheint sich auch Hollywood selbst in den letzten Zügen zu befinden, insbesondere seit Ende 2019.

Was kann man also gegen diesen äußerst bedauerlichen Zustand tun? Ich bin der festen Überzeugung, dass Kinos etwas Besonderes sind und dass sie aufgrund verschiedener Faktoren ein einzigartiges Seherlebnis bieten. Ich glaube nicht, dass sie jemals verschwinden werden, was schon dadurch bewiesen ist, dass es immer noch Veranstaltungsorte gibt, die sich auf Live-Theater und Musikproduktionen spezialisiert haben. Kinobesitzer und solche, die es werden wollen, sollten mit großem Scharfsinn kulturelle und wirtschaftliche Trends berücksichtigen und ihr Bestes tun, um aus den inhärenten Qualitäten des Kinos Kapital zu schlagen, wie z. B. dem kollektiven Erlebnis (das auch eine Art privater, ästhetischer Beteiligung mit sich bringt), der überragenden Tonqualität, den großen Leinwänden, dem überteuerten Popcorn und anderen Snacks von fragwürdigem Nährwert sowie natürlich dem gewissen Je-ne-sais-quoi-Faktor. Im Moment beobachte ich persönlich eine starke Ablehnung von Einzelhandelsketten und Unternehmensmarken im Allgemeinen zugunsten von Boutiquen (idealerweise in Familienbesitz) und den damit verbundenen einzigartigen, phänomenologischen Erfahrungen. Kinos können also von diesem Trend profitieren, vor allem, wenn das Kino ein gewisses Alter hat und diesen Vintage-Appeal besitzt oder einfach auf eine moderne oder einzigartige Weise anders ist. Fast jede mittelgroße Stadt hat oder hatte ein Kino, das vor langer Zeit gebaut wurde. Diese Kinos können zu neuem Leben erweckt werden, wobei ihre besondere Persönlichkeit nach Möglichkeit erhalten bleiben sollte und vielleicht einige moderne Elemente eingebaut werden. Dabei könnten Speisen und Alkohol aus der Region angeboten werden und/oder sogar ein kleines Restaurant in den Räumlichkeiten vorhanden sein. Selbst große Kinoketten können sich diesen weit verbreiteten Trend zunutze machen, indem sie bestimmte Elemente aus dem Ort, wo jedes ihrer Kinos sich befindet, einbeziehen und auch in Erwägung ziehen, riesige Kinokomplexe im Unterrnehmensstil zugunsten kleinerer Veranstaltungsorte, insbesondere solcher mit Vintage-Appeal, aufzugeben oder ein originelles und kleiner formatiertes architektonisches Modell für das Kino zu schaffen, das einzigartig für ihre Marke ist. Um sich wirtschaftlich selbst zu erhalten, können Kinos ihre Räumlichkeiten auch für Veranstaltungen wie Hochzeiten und Partys vermieten, und ich kann bestätigen, dass diese Praxis in einigen Kinos bereits praktiziert wird.

Diese Veranstaltungen könnten (und sollten) auch das Anschauen eines Films als Teil der Veranstaltung einschließen. Darüber hinaus könnten bestimmte Kinos, vor allem solche, die sich auf Kunstfilme spezialisiert haben, vor Ort Bildungsseminare zu wichtigen Aspekten der Filmproduktion anbieten, z. B. Filmclubs an örtlichen Gymnasien sponsern und Indy-Filmemachern, vor allem aus der Region, mehr Möglichkeiten bieten, ihre Arbeit dort zu präsentieren. Sie könnten beispielsweise auch zum Schauplatz einer alljährlichen Filmveranstaltung werden. Gleichzeitig müssen diese besonderen Kinos ein Gefühl der Exklusivität bewahren. Nicht jeder Indy-Filmemacher hat automatisch das Recht, sein visuelles Kunstwerk auszustellen, nur weil er ein Indy-Filmemacher ist. Mit anderen Worten, es muss das richtige Gleichgewicht gefunden werden. Wahrscheinlich ist es eine gute Idee, wenn große Kinoketten ihren wirtschaftlichen Einfluss nutzen, um Netflix und andere Unternehmen, die Serien wie Westworld produzieren, davon zu überzeugen, dass sie diese Serien auf großer Leinwand zeigen. Kurz gesagt, es gibt eine tragfähige Zukunft für die Kinos, sowohl wirtschaftlich als auch künstlerisch, und ich bin überzeugt, dass die Kinos Wege finden können, um sich von ihrer gegenwärtig düsteren Lage zu erholen. Die genauen Details und Strategien sind im Moment vielleicht noch nicht so offensichtlich, aber die Zukunft der Kinos wird mit Sicherheit eine sein, die eine gewisse Konzentration auf ihr Erbe, ihre wirtschaftliche Flexibilität und eine Offenheit für verschiedene Modalitäten der Präsentation von Filmproduktionen und anderen Medieninhalten beinhaltet.



Fotos: Header : Myke Simon (unsplash) / Teaser + Bild im Text: David T. Lynch

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