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Mein Kind in Transition

Interview mit einem Papa

Katrin Angermann

Katrin: Wann hast du das erste Mal erfahren, dass dein Kind eine Transition erwägt?

Achim: Bevor er sich mir offenbarte, hatte ich keine Ahnung, wie es um ihn steht. Er hatte vorher schon lange Zeit Probleme mit sich. Er hatte Probleme in der Schule, im Job, im Studium, und ich dachte, es wären hauptsächlich psychische Probleme. Aber erst als er es mit mir besprochen hatte, wusste ich von seiner Zerrissenheit. Aber vielleicht hatte es auch damit zu tun, dass er selber erst mal seinen Weg finden musste. Herauszufinden: wer bin ich, was bin ich.

Katrin: Wie fühlte es sich für dich an, als sich dein Sohn dir offenbarte?

Achim: Im Prinzip war ich einerseits überrascht, andererseits aber sehr erleichtert. Ich hatte schnell den Eindruck, dass seine Entscheidung der beste Weg für ihn ist. Negative Gefühle meinerseits, wie Ablehnung oder „Das darf nicht sein“, sind nie vorgekommen. Er selber hatte sich nicht getraut, es mir direkt zu sagen. Er schrieb mir einen Brief und während ich ihn las, stand er auf dem Balkon und schaute hinaus in banger Erwartung, was sein „Alter“ jetzt dazu sagen würde. Er war sehr erleichtert, als ich es zur Kenntnis genommen und ihn nicht infrage gestellt habe.

Katrin: Was war das Schwierigste daran für dich?

Achim: Das Schwierigste war, dass ich in dem Moment eine Tochter verloren hatte. Wenn meine Tochter sich wie ein Mann gibt und auch so behandelt werden will, ist es eben keine Tochter mehr. Ich habe ihn immerhin großgezogen.

Katrin: Hattest du Angst um ihn?

Achim: Ich hatte grundsätzlich Angst um ihn, da er in einem prekären Stadtteil lebt. Ein Ort, wo auch schon sein Bruder nicht unbeschadet rausgekommen ist. Er geht nur ungern durch seinen Kiez. Mein Sohn ist eher klein und schmächtig und daher sehr angreifbar. Das macht mir Angst. Meine Bedenken zerstreuen sich dennoch langsam, da mein Sohn eine eigene stärkere Selbstwahrnehmung erlangt.

Katrin: Wusstest du, was mit der bevorstehenden Transition deines Kindes auf dich zukommt?

Achim: Vorher wusste ich nicht wirklich viel darüber. Mein Sohn erklärte mir, was im Groben geschehen würde. Einzelheiten waren mir aber auch da noch nicht bekannt. Der gesamte Prozess der Transformation war mir nicht bewusst. Mit dem Thema habe ich mich erst intensiver befasst, als es direkt vor mir stand.

Katrin: Wie geht es dir heute als Vater?

Achim: Ich freue mich immer, ihn zu sehen. Auch darüber, dass sich nach der Transformation an unserem Verhältnis grundlegend nichts geändert hat. Für mich ist jetzt nicht mehr wichtig, ob er mal meine Tochter war, oder dass er jetzt mein Sohn ist. Für mich ist er ein Mensch! Und es spielt keine Rolle, welches Geschlecht dieser Mensch hat.

Katrin: Erlebst du ihn jetzt anders?

Achim: Er ist definitiv selbstzufriedener.

Katrin: Wie sprichst du jetzt dein Kind an?

Achim: Als Sohn ist er bei mir angekommen. Ich rede ihn grundsätzlich auch mit seinem neuen Namen an. Allerdings nenne ich ihn im Gesprächsverlauf noch öfter bei seinen Mädchennamen. Er korrigiert mich dann auch sofort, aber man kann das nicht wie einen Schalter im Kopf umlegen. Wenn du 25 Jahre lang „sie“ gesagt hast, ist das nicht auszulöschen. Vermutlich braucht es noch einmal 25 Jahre, bis es für mich selbstverständlich ist.

Katrin: Gibt es etwas, das du gerne anderen Eltern oder Angehörigen ans Herz legen würdest, die in einer ähnlichen Situation sind?

Achim: Auf jeden Fall das Kind so annehmen, egal wie alt es ist. Es so annehmen, wie es angenommen werden möchte. Jede eigene Vorstellung, die man von seinem Kind hat, ist unwichtig. Wichtig ist, dass der betreffende Mensch einen Weg gehen kann, mit dem er selbst im Einklang ist.

Katrin: Wie wichtig war es dir, dich deinen Freunden mitzuteilen?

Achim: Damals hatte ich es noch drastischer formuliert und empfunden. Ich musste erst den Tod meiner Tochter verarbeiten, bevor ich die Geburt meines Sohnes akzeptieren konnte. Die Trauer und den Schmerz darüber konnten in Gesprächen mit Freunden teilweise aufgefangen werden. Es war notwendig für mich, diese Gespräche zu führen.

Mein Sohn hat für sich eine Entscheidung getroffen. Und wenn er den Rest seines Lebens damit zufrieden ist, bin ich es auch.

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