Magazine for Sexuality and Politics

Lust bei der Arbeit – Ein Widerspruch?

Otto Fenichel’s Funktionslust

Susanne Schade

Wenn in der kritischen Theorie davon die Rede ist, dass es kein richtiges Leben im falschen gibt, wie kann es dann sein, dass Menschen Lust bei der Arbeit empfinden. Ja in der Tat: Lohnarbeit kann Spaß machen. Bereits Ende der 30er Jahre schrieb der linke Psychoanalytiker Otto Fenichel in seinen Rundbriefen, die er an befreundete Mitstreiter*innen einer linken Idee schickte u.a. auch an Wilhelm Reich, über das Prinzip der Funktionslust. Darin beschreibt er, dass wenn der Organismus die Fähigkeit erworben hat die Zukunft vorwegzunehmen und „sich überzeugt, dass er eine Situation, die ihn früher mit solcher Reizmenge überschüttet hätte, dass er Angst erlebt, angstlos überstehen kann, so erlebt er dies mit einer besonderen Art von Lust.“ (Fenichel, 1938: 1021). Diese Funktionslust steht im Dienste der Triebbefriedigung und nimmt die Angst spielerisch vorweg, die er in der Triebhandlung gehabt hätte (ebd.). Fenichel zieht dabei vor allem Parallelen zum Spiel, bei dem experimentierend und sich in kleiner Dosis an die Gefahr herangetastet werden kann, was eine Vorwegnahme des traumatischen Zustandes gestattet (Fenichel, 1938: 1021).

Bei der Funktionslust handelt sich um eine Art Triumpf über die äußere Realität, im Sinne eines Beherrschen-Könnens. Dabei fällt auf, dass er sich damit gegen linke Theorien wendet, die die Lohnarbeit als wesentliches Kritikfeld begreifen. Wie kann eine Arbeit, die einem fremden Zweck dient auch noch Spass machen – das ist schon ein Widerspruch. Für Fenichel findet ein Übergang vom Spiel zum Realitätsprinzip statt, durch den das Ich der Realität habhaft wird (ebd.). In diesem besseren Verständnis der Umwelt, ist das Ich besser in der Lage seine Triebe zu steuern und an der Realität zu messen. Eine pure Anpassungsleistung könnte man da sagen: eine Lust gegen die Angst. Womöglich stellt dies die oft einzige Überlebensstrategie darstellt in einer Welt, die sich durch viele Widersprüche kennzeichnet ist und die den Menschen feindlich gegenübersteht.

Menschen schöpfen in vielerlei Hinsicht Positives aus der Lohnarbeit: sie gibt ihnen eine Struktur, ermöglicht soziale Kontakte, ein Lernen, ein Erleben von Sinnhaftigkeit und eben auch Funktionslust. So können sich Menschen in der Arbeit persönlich weiterentwickeln und bauen ihre Fähigkeiten aus. Und vielleicht liegt gerade an der Funktionslust, dass bisher wenige Menschen auf die Idee gekommen sind, die Lohnarbeit zu kritisieren. Vielleicht überwiegt die Lust im Tätigsein, so dass eine Gesellschaft ohne Lohnarbeit gar nicht denkenswert erscheint. Vielleicht liegt in der Auflösung von Triebspannung und dem Meistern von angstbesetzten Situationen und der damit einhergehenden Lust, der Schlüssel zur Kritik.

Wenn Paul Lafargue 1883 vom Recht auf Faulheit schreibt und die kapitalistische Moral attackiert, die „eine jämmerliche Kopie der christlichen Moral [sei], deren Ideal darin bestehe, die Bedürfnisse des Produzenten auf das geringste Minimum zu drücken, seine Freude und seine Leidenschaften zu ersticken und ihn zur Rolle einer Maschine zu verurteilen, aus der man pausenlos und gnadenlos Arbeit herausschindet.“, dann ist zumindest der Zweck von Arbeit im Kapitalismus als kritikwürdig unterstellt. Wenn aber gerade viele Menschen eben zu diesen Maschinen geworden sind, dann wäre es zugleich obsolet von einer Funktionslust zu sprechen. Sowohl beim Mensch als Maschine Bild als auch beim Bild eines Spaß habenden Arbeiters ist wohl letztendlich genau hinzuschauen, welche Anpassungsleistung vollzogen wurde: denn ein schlechtes Gewissen bei Spaß ist ein Konflikt der zur Auflösung drängt, genauso wie reines Funktionieren in der Lohnarbeit.

Literatur:

Fenichel, O. (1938, 30. Dezember). 53. Rundbrief. In Reichmayer, J. & Mühlleitner, El (Hrsg.). 119 Rundbriefe, Band II. Stroemfeld Verlag.

Lafargue, P. (1883). Das Recht auf Faulheit - Widerlegung des »Rechts auf Arbeit« von 1848. https://www.wildcat-www.de/material/m003lafa.htm (abgerufen am 27.10.2017).


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