Fetischisierte Beziehungen:
Trans Personen zuhören
Beziehungen sind ein grundlegendes Thema für die Psychoanalyse, da sie eine unmittelbare Bedeutung für die Konstitution der Subjektivität haben, wie Freud (1921: 2) hervorhebt: "am Seelenleben des Einzelnen ist immer ein anderer beteiligt, als Modell, als Objekt, als Helfer, als Gegner; und so ist die Individualpsychologie, in diesem erweiterten, aber durchaus berechtigten Sinne des Wortes, von Anfang an zugleich auch Sozialpsychologie".
Die Trennung zwischen Subjekt und Gesellschaft sowie zwischen öffentlichen und privaten Beziehungen wurde in der zeitgenössischen Philosophie, Psychoanalyse und Sozialwissenschaft in Frage gestellt. Die Trennung zwischen der öffentlichen Sphäre (Politik, Wirtschaft) und den privaten Beziehungen wirft die Frage auf, inwiefern das Private (Familie, Beziehungen) weiterhin als unpolitisch angesehen wird und einen anderen Wert erhält. Diese Trennung zwischen privat und öffentlich wurde von feministischen und postkolonialen/dekolonialen Studien in Frage gestellt, in denen sich Politik nicht nur auf institutionelle Politik bezieht, sondern auch auf die Politik des Alltagslebens. Der Körper ist in diesem Sinne politisch, ein Körper, der sexuell und rassisch markiert ist, sowie andere Kategorisierungen. Diese sozial-politische diskursive Positionierung hat Auswirkungen auf die Subjektivität.
Die Geschichte der Psychiatrie und Psychologie zeigt eine Reihe von Veränderungen in Bezug auf das medizinische Verständnis von Geschlecht, Sexualität und Rasse, da spezifische Probleme, die minorisierte Gruppen betreffen, zuweilen als psychische Störungen aufgefasst wurden, z. B. die Art und Weise, wie psychische Diagnosen auf Migranten und Schwarze angewandt wurden, und die Assoziation zwischen Hysterie und Frauen. Darüber hinaus wurde Homosexualität als psychische Störung verstanden, und Transsexualität wird in einigen Bereichen immer noch in diesem Sinne gesehen. Wissenschaftler und Aktivisten haben sich dafür eingesetzt, dass die Einstufung von Transsexualität als psychische Störung abgeschafft wird, während das Recht auf Zugang zu medizinischer Versorgung und rechtlicher Anerkennung erhalten bleibt.
Dies rückt die Bedeutung der Stimme in den Vordergrund und greift Spivaks Frage "Can the Subaltern Speak" auf, d. h. wie können diese Subjekte, die sich in der Position des Anderen befinden, gehört werden? Dies ist ein zentrales Thema für die feministischen und post/dekolonialen Studien, die auf die Möglichkeiten des Sprechens innerhalb der sozialen Position der Subalternen hinweisen und dabei die Beziehungen von Ausgrenzung und Gewalt berücksichtigen. Die Psychoanalyse, die ebenfalls die Bedeutung des sozialen Kontextes hervorhebt, widmet dem Sprechen und der Stimme besondere Aufmerksamkeit, da sie ihre Praxis und Theorie der Sprechkur entwickelt. Die Psychoanalyse wird mit dem Fall von Anna O. eröffnet und bietet ein anderes Hören auf das Subjekt, das zu dieser Zeit hauptsächlich aus einer psychiatrischen und pathologisierenden Perspektive betrachtet wurde und auch in religiös-moralische Diskurse eingebettet war; Diskurse, die noch immer in den Bereichen Geschlecht und Sexualität zu finden sind.
Die Psychoanalyse hat eine Reihe von Fragen zu den Möglichkeiten des Zuhörens auf das Subjekt und vor allem auf das Subjekt des Begehrens aufgeworfen, da die Wahrheit auf der Seite des Subjekts gedacht wird. Wesentlich ist jedoch eine Analyse der Position des Zuhörens, insbesondere im Hinblick auf die Positionalität derjenigen, die zuhören, und die Reflexivität bezüglich der Ideale und Phantasien. In diesem Sinne wurde auch eine kritische Überprüfung des psychoanalytischen Rahmens in Bezug auf Geschlecht, Sexualität und Rasse vorangetrieben und weitere Überlegungen in Theorie und Praxis gefordert.
Vor diesem Hintergrund hat die kritische Arbeit zu Fragen von LGBTQI+ und cisgender Frauen unter Berücksichtigung der Intersektionalität von Geschlecht, Sexualität, Rasse, Klasse, Alter und Behinderung eine Reihe von Aspekten ans Licht gebracht, die immer wieder ausgeblendet wurden, indem Praktiken unkritisch pathologisiert wurden oder die Forderungen und Wünsche dieser Gruppen nicht berücksichtigt wurden. Debatten über Trans-Personen (hier auch transgender, transsexuell, travesti oder jede andere Form der Selbstidentifikation) zeigen auf, wie Trans-Personen in der Gesellschaft, aber auch in der Wissenschaft ausgegrenzt, abgewertet und pathologisiert wurden, was einerseits auf gesellschaftliche Spaltungen und Wertvorstellungen hinweist, andererseits aber auch die Möglichkeit der Veränderung, der Öffnung für andere diskursive Räume aufzeigt. Das heißt, durch Begegnungen wird das Andere produziert, aber auch die Möglichkeit der Veränderung (Ahmed, 2000). Innerhalb dieser Begegnungen wird die Frage nach den Möglichkeiten des Zuhörens zentral, da eine kontinuierliche Reflexivität erforderlich ist.
Es gibt zahlreiche Besonderheiten in Bezug auf Trans-Personen, wenn man die Überschneidungen zwischen Geschlecht, Sexualität, Rasse, Klasse, Alter und Behinderung betrachtet. Innerhalb dieser Aspekte möchte ich hier die Auswirkungen der Transphobie auf das Thema hervorheben. Dies ist ein grundlegender Aspekt, der sich in Institutionen und Alltagsbeziehungen zeigt. Transphobie wirkt auf sozialen Ebenen, indem sie das Subjekt vom Zugang zu grundlegenden Alltagsbeziehungen ausschließt und sich auf die (kontinuierliche) Produktion von Subjektivität auswirkt. In diesen Beziehungen wird das Subjekt in die Position des Anderen im Diskurs versetzt, die Differenz wird zu einem Merkmal, das in fetischisierten Beziehungen gefangen ist, d.h. das Subjekt wird als Objekt der Faszination (exotisiert) und/oder der Furcht betrachtet. Die Dekonstruktion dieser diskursiven Konstruktion wird entscheidend für das Zuhören und das Auftauchen des Subjekts.
Es ist wichtig, die Debatte von McClintock (1995) über den Begriff des Fetischismus hervorzuheben, der an der Schnittstelle zwischen Psychoanalyse und Sozialgeschichte gesehen werden kann, da die Psychoanalyse im häuslichen Raum (feminisiert) angesiedelt war und der Marxismus (Warenfetischismus) sich mit der Öffentlichkeit (ökonomisch) befasst hat.
Für die Psychoanalyse wird das Subjekt als Subjekt des Begehrens verstanden, das zu Widersprüchen und Ambiguitäten fähig ist. In dieser Perspektive ist es von entscheidender Bedeutung, die sozialen Kategorien in Abhängigkeit von den spezifischen sozialen Kontexten zu betrachten und zu sehen, wie diese das Subjekt interpellieren, ohne jedoch das Subjekt vollständig zu bestimmen oder zu reduzieren. Diese Dynamik ist beim Zuhören des Subjekts grundlegend zu berücksichtigen. Einerseits wird ein Bewusstsein für die sozialen Zwänge und die Gewährleistung sozialer Rechte geschaffen, andererseits wird gegen die Homogenisierung vorgegangen und das Subjekt als solches nicht als selbstverständlich betrachtet, sondern seine Stimme steht an einem einzigartigen Ort, dem Ort des Begehrens. Das Subjekt wird als ein Subjekt des Begehrens gesehen, das in der Lage ist, sich selbst zu vertreten (Spivak, 1988).
Für diese Möglichkeit, Räume des Zuhörens zu eröffnen, können die psychoanalytischen Konzepte der Übertragung und des Widerstands einige weitere Erkenntnisse liefern. Psychoanalytisches Zuhören geschieht über die Übertragung, d.h. die Beziehung zwischen dem Analytiker und dem Analysanden. Die Art und Weise, wie die Übertragung innerhalb und außerhalb der Klinik funktioniert, ist der Schlüssel zur Analyse, denn in der Übertragung werden Phantasien, Ideen und Vorurteile reinszeniert. Zu diesem Zweck wird eine kontinuierliche Übung der Reflexivität vorgestellt, um die Machtverhältnisse zu reflektieren, einschließlich der Art und Weise, wie die sozialen Kategorien den Körper interpellieren, sowohl auf Seiten des Analytikers als auch auf Seiten des Analysanden. Ausgehend von der strukturellen Transphobie und der Frage, wie sich diese Erfahrung auf das Subjekt auswirkt, stellt sich die Frage: Worin besteht dann das Zuhören gegenüber Trans-Personen? Welche Vorurteile und Positionierungen stehen auf dem Spiel und wie funktioniert ihre Dynamik?
Widerstand wurde von Freud (1912) beobachtet, wenn Patienten im Begriff waren, einige Konflikte zu klären und dabei das Symptom wiederholten. Widerstand tritt in verschiedenen Formen auf, aber es ist wichtig zu betonen, dass es im Umgang mit Widerstand nicht darum geht, ihn einfach zu überwinden, sondern zu verstehen, wie er funktioniert und welche Abwehrmechanismen im Spiel sind. Lacan (1958) geht weiter auf den Widerstand des Analytikers ein, d.h. auf die (Un-)Möglichkeiten, dem Subjekt zuzuhören, wenn der Analytiker in den selbstverständlichen Sichtweisen gefangen ist, was wir dahingehend hinterfragen können, wie dieser Widerstand das Subjekt an der Stelle des Anderen durch fetischisierte Beziehungen verdinglichen kann. Daher ist die Analyse der Art und Weise, wie dieser Widerstand des Analytikers in Bezug auf die Übertragung funktioniert, von entscheidender Bedeutung, d.h. wie wird dem Subjekt zugehört, was sind die Stolpersteine für das Zuhören des Subjekts, die in der Analyse am Werk sind? Diese Fragen sind von zentraler Bedeutung für die Überprüfung der psychoanalytischen Praxis, um Möglichkeiten eines anderen Zuhörens und anderer diskursiver Konstruktionen zu erschließen.
Die Arbeit mit und die Analyse von Trans-Personen zeigen die Grenzen und (Un-)Möglichkeiten des Zuhörens auf, aber auch die Möglichkeiten der Trans-Formation und des (Trans-)Wissens. Die Arbeit an der Dekonstruktion verdinglichter Ansichten über das Subjekt, das durch fetischisierte Beziehungen als das Andere angesehen wird, ermöglicht es, die Funktionsweise binärer Unterteilungen zu hinterfragen und herauszufordern. Dazu ist es dann erforderlich, Wissen und Positionalität in Begegnungen durch einen Prozess der Reflexivität zu verorten. Diese Überlegungen zielen darauf ab, dass sich die Möglichkeit eröffnet, andere Diskurse, emanzipatorische Räume zu denken und Netze der Solidarität zu bearbeiten. Räume, in denen die Stimme des Subjekts gehört werden kann, in denen das Subjekt sprechen und sich selbst repräsentieren kann und schließlich aktiv an der Wissensproduktion und -praxis teilnimmt.
Bibliographie:
Ahmed, S. (2000). Strange Encounters – Embodied Others in Post-Colonialism. Routledge.
Freud, S. (1921). Group Psychology and the Analysis of the Ego. The Standard Edition of the Complete Psychological Works of Sigmund Freud.
Freud, S. (1912). The dynamics of transference. Standard Edition 12. Hogarth Press
Lacan, J. (1998[1958]) Escritos. Jorge Zahar.
McClintock, A. (1995). Imperial Leather - Race, Gender and Sexuality in the Colonial Contest. Routledge
Spivak, G. C. (1988). ‘Can the subaltern speak?’ In Nelson, C. & Grossberg, L. (eds.). Marxism and the interpretation of culture (S. 271-313). Macmillan.
Mitglied der Discourse Unit Manchester, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschungsgruppe “Psychoanalysis, Society and Politics” des Institutes für Psychologie, Universität Sao Paulo. Mitglied des Lacanian Forum of Sao Paulo. Autorin des Buches “Cultural Ecstasies: Drugs, Gender and Social Imaginary” (Routledge, 2013).
Email: Bitte Javascript aktivieren!
Kommentar schreiben
Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Kommentare werden erst nach Moderation freigeschaltet.
Kommentare ()