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German Critical Psychology

Theresia

Der Ursprung der Kritischen Psychologie liegt in der Wissenschaftskritik der Studentenbewegung Ende der 60er Jahre als Aspekt von Gesellschaftskritik. Sie ist vor allem mit dem Namen Klaus HOLZKAMP verbunden, der an der Weiterentwicklung des Konzeptes, das in der Tradition marxistischer Gesellschaftsanalyse steht, entscheidend mitgewirkt hat. Doch worin besteht diese Kritik überhaupt? Kritik ist ein allgemeines Moment von Wissenschaft überhaupt. Das Spezifikum Kritischer Psychologie ist die Herausarbeitung des Zusammenhangs von Psychologie- und Gesellschaftskritik. Die Kritik besteht dabei vor allem in der Kritik der Funktion der Wissenschaft Psychologie als Herrschafts- und Anpassungs-wissenschaft in der kapitalistischen Gesellschaft. Und in der Tat gibt es so gut wie keinen Bereich der Gesellschaft an dessen Entwicklung und Reproduktion PsychologInnen nicht beteiligt wären. Sie wirken in Unternehmen bei der Optimierung von Produktionsabläufen, bei der Motivation von Kindern und MitarbeiterInnen, Entwicklung von Software und Marketingstrategien, bei der Betreuung von Bomberpiloten usw. mit. Dabei kann die spezifische Tätigkeit nie losgelöst vom gesamtgesellschaftlichen Kontext betrachtet werden. Die Frage nach der Funktion der Wissenschaft Psychologie in der Gesellschaft ist ein entscheidendes Moment wissenschaftlicher Tätigkeit sowohl der Lehrenden als auch der Lernenden und sollte deshalb eine gemeinsame Auseinandersetzung bedingen. Wissenschaftliche Konzepte besitzen die Eigenart, dass sie bestimmte Fragestellungen begünstigen, andere eher ausschließen. Es ist deshalb zu fragen, welche offene oder verborgene gesellschaftliche Stellungnahme in psychologischen Konzepten verbundenen Fragestellungen enthalten sind, und wie diese Stellungnahmen mit wissenschaftlichem Gehalt der Konzepte vermittelt sind. (Morus Markard: Thesen zum Vortrag an der Uni Dresden, 2000) Motivation kann beispielsweise so aufgefasst werden, dass Menschen im Ergebnis einer psychologischen Intervention wollen, was sie wollen sollen. Es kann aber auch danach gefragt werden, in wessen Interesse wer was wollen soll, danach, wie je meine Lebensmöglichkeiten davon tangiert sind, wenn ich die an mich gestellten Aufgaben erfülle. Es geht in der Kritischen Psychologie um die Herausarbeitung von Handlungsmöglichkeiten vor allem von Entwicklungsmöglichkeiten. Diese Handlungsmöglichkeiten sind dem Individuum nicht beliebig gegeben, sondern immer in einem zu klärenden Verhältnis zu gesellschaftlich vermittelten Handlungsbehinderungen. Grundlage der subjektwissenschaftlichen Forschung vor dem Hintergrund dialektisch materialistischer Widerspiegelungsprinzipien bildet deshalb die funktional-historische Kategorialanalyse, eine Methode, die psychologische Grundkategorien konstituiert, da die Realität uns nie unmittelbar gegeben ist, sondern stets über ihre gesellschaftlichen Bedeutungen und die ihnen entsprechenden Begrifflichkeiten vermittelt ist. Gegenstand einer Subjektwissenschaft ist nicht das Subjekt, sondern die Welt, wie das Subjekt sie empfindet, denkt, handelnd - erfährt, und wie sie durch die Aufschlüsselung von Erfahrung fassbar wird. In diesem Sinne geht es bei der Aufschlüsselung von Erfahrung, um die theoretische Erfassung von Prämisse Gründe - Zusammenhängen und damit die Vermeidung von Deutungen durch das Denken in Persönlichkeitsmerkmalen oder -eigenschaften (z.B. faul, intelligent..) mit denen die Menschen etikettiert werden. Nach HOLZKAMP ist die Persönlichkeitszuschreibung extrem abstrahierend, da sie Menschen auf ein bestimmtes Sein festlegt und Handlungsbegründungen und prämissen vernachlässigt. Die Verfügung des Individuums über seine eigenen Lebensbedingungen in Teilhabe an der Verfügung über den gesamtgesellschaftlichen Prozess -als dialektisches Prinzip steht bei Holzkamps Konzeption im Mittelpunkt. (Holzkamp, Grundlegung der Psychologie, 1983: Campus) Die Kritische Psychologie ist ein nie abgeschlossener Prozess des Erkenntnisgewinns gegen Oberflächlichkeit, Scheinwissen, ein permanentes In-Frage-Stellen des scheinbar Selbstverständlichen eine ständige Reflexion unseres eigenen Denken und Handelns. (Ute Osterkamp: Sonderpiranha, 2000: FSI FU Berlin.)


Der Text wurde im Jahr 2000 verfasst während meines Psychologie-Studiums.


Image: Unsplash: Markus Spiske, 2024

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