Magazine for Sexuality and Politics

(M)other

Was passiert, wenn dein Ticket für den Club zerrissen wird?

Adele Myers

Adam hätte dein Name sein können, mein erster Junge, meine erstgeborene biblische Gottgleichheit, meine perfekte Schöpfung. Dich zu erschaffen, dich aus meinen eigenen Zellen heraus wachsen zu lassen, aus meinem Körper, der dich beherbergt, dich ernährt hat, während du dich in mir entwickeltest, die größte schöpferische Leistung meines Lebens, zunächst fremdartig, aber eine vollkommen perfekte und natürliche Ausformung der Menschheit hin zu dir konkret. Wer würdest du werden, fragte ich mich, als ich deine winzigen Fingernägel bewunderte.

Bettina, wie stolz hätte ich sein können, hätte ich dich bei deiner ersten Ballettdarbietung tanzen gesehen, all diese Samstagvormittage lang, die sich in einer warmen Umarmung voller Stolz auszahlen. Wir hätten zusammen weinen können, nachdem du dir den Fuß brachst und damit deine Träume davon, die Primaballerina zu sein, zerschmettert hast. Ich hätte dich so fest gehalten, um die ganze Traurigkeit aus dir herauszulassen und alles wieder gut zu machen. Du hättest vielleicht mit Origami angefangen, um deinen Geist zu beschäftigen und deine Laune zu heben, und hättest so deine Liebe zu allen möglichen japanischen Dingen genährt.

Carl, klettere nicht auf lauter Sachen, das ist gefährlich, mag ich geschimpft haben, mehr als nur einmal. Nicht so sehr deshalb, weil ich dein Spiel hätte einschränken wollen, sondern aus reiner Sorge um dein Wohlbefinden. Wie bist du nur so ein Rebell geworden?, hätte ich mich fragen können. Und doch genieße ich insgeheim deine Ausgelassenheit. Wir könnten in Erinnerungen an die Zeit schwelgen, als du dich stundenlang verlaufen hast. Ich geriet so in Panik, je dunkler es wurde, und doch warst du noch immer nicht zu Hause. Zum Glück brachten die Nachbarn dich zurück, kurz bevor ich die Polizei rief. Du hattest schließlich begriffen, warum ich dich davor warnte, zu hoch zu klettern, und man musste dir sowieso mit einer Leiter vom Baum herunterhelfen. So viele Male haben wir diese Geschichte nacherzählt, wenn Du mit Deiner eigenen Familie zu Besuch warst, und haben dabei angemerkt, wie Du jetzt das Gleiche zu deiner eigenen Familie sagst.

Daniela, Danny, Dan, D…, glücklicherweise gab ich dir einen Namen, der so verkürzt werden konnte, dass er weniger geschlechtsspezifisch war, während du mit deiner Identität rangst und dich einigen nicht geschlechtsspezifischen Pronomen zuwandtest. Wie sehr machte ich mir in dunklen Nächten Sorgen um dich, da ich weiß, dass du verletzlicher als die meisten und so viel sichtbarer anders als jene anderen Barmitarbeiter bist, mit denen du arbeitest.

Edward, deine wissbegierige Art hätte mich so sehr inspiriert, und ich bin so stolz darauf, wie neugierig du bist, wie du Dinge auseinandernimmst und sie wieder zusammensetzt, ganz geradlinig in deiner Intensität, Stärke und Entschlossenheit. Aber wenn die Streitereien beginnen, könnten Familie und Freunde das natürlich darauf schieben, dass wir beide uns zu ähnlich sind.

F, F, welchen F-Namen hätte ich wohl für das zweite Kind gewählt, das zu bekommen ich mir vorstellen könnte. Auch wenn das erste eine schwierige Geburt war, die Belohnungen waren es dermaßen wert, und ein Bruder oder eine Schwester ist natürlich notwendig, um die Familie in Gleichgewicht zu versetzen.

Mit 34 Jahren kaufte ich mir das Buch mit Babynamen und fing an, Babykleidung zu sammeln. Ich hatte sogar eine spezielle Schublade voll mit solchen Dingen, Babysachen. Der Unterschied zwischen mir und anderen Frauen, die genau das Gleiche taten, sich auf ihr neues oder ein wiederkehrendes Abenteuer in Richtung Mutterschaft vorbereiteten und darüber grübelten, wer denn ihre Kinder einmal werden würden, lag allerdings darin, dass ich gar nicht schwanger war und zu der Zeit sogar ganz die Fähigkeit verloren hatte, jemals mit einem eigenen Kind schwanger zu werden. Ich hatte meinen zweiten Eierstock erst ein Jahr zuvor entfernen lassen, wobei schon mein erster 6 Jahre vorher aufgrund von Zystenbildung entfernt worden war. Zum Zeitpunkt meiner ersten Eierstockentfernung war ich solo. Unsensibel sagte bei seiner Visite und dem Beratungsgespräch nach der OP der Arzt zu mir über die Zysten, die man entdeckt hatte: "Ach ja, ich erinnere mich an Sie, wie Würste an der Strippe die Dinger." Mir wurde auch gesagt, dass ich alles leicht überstehen würde, da ich ja nicht verheiratet sei und keinen Freund hätte. Ich habe ja noch den anderen Eierstock, und Sie wissen doch, dass diese Dinge sich oft "ausgleichen", ein seltsames Wort, das man da benutzt.

So war es mir natürlich nie in den Sinn gekommen, rauszugehen und mir schnell jemanden zu schnappen, um mit ihm ein Baby zu bekommen. Das schien damals weder angemessen noch notwendig. Obwohl, wenn ich damals gewusst hätte, dass ich nur noch 6 Jahre lang etwas von dieser Möglichkeit haben würde, falls es überhaupt je eine Möglichkeit war, hätte ich mein Leben im Hinblick auf die Suche nach einem Partner vielleicht anders gestaltet. Mir fiel einfach nicht ein, dass es vielleicht nie passieren würde. Außerdem war ich damit beschäftigt, Kunst hervorzubringen.

Das ist eben einfach nicht dasjenige, was wir, die jungen Frauen in meiner Peer-Group, zu der Zeit diskutiert haben. Meine eigene Mutter bekam mich mit 19, also hat sie mich definitiv dazu ermutigt, eine Karriere zu machen, bevor ich irgendwo sesshaft werde, überhaupt zu tun, was einem Spaß macht. Auch jetzt noch würde ich dafür plädieren, dass Frauen die Freiheit gegeben wird, zu erforschen, wer sie sind und was sie sein wollen. Lasst uns doch Frauen nicht in die dunklen Zeitalter der Vergangenheit zurückreißen, indem es ihnen an dem freien Willen mangelt, ihre Optionen in Sachen Freiheit oder sexueller Selbstausdruck zu erkunden. Wie auch immer jedoch, der Blick zurück kann auf einer bestimmten Ebene eine ärgerliche Sache für eine Person sein, und vielleicht wäre mein Leben ganz anders verlaufen, wenn ich im Besitz einer Kristallkugel gewesen wäre.

Die Rechtfertigung für den Kauf des Buches und der Kleidung war allerdings meiner Meinung nach dreifach motiviert. Ich würde ein Kunstwerk rund um das Thema erschaffen, schließlich bin ich ja Künstlerin, und welchen besseren Weg gibt es denn überhaupt, um den Kummer auszudrücken, den ich erlebte? Ebenso würde die künstliche Befruchtung, die mir bevorstand, definitiv selbst dann funktionieren, nachdem mein Partner und ich uns getrennt hätten, also würde ich wohl diese Art von Sachen einmal brauchen. Ja, ich kann kleine Dinge sammeln, deren Aussehen mir gefällt, und kann das alles willentlich ins Leben rufen. Das dritte ist aber schon komplexer und vielleicht ein Grund, den ich erst sehr viel später im Leben begriffen, aber tief in mir vergraben habe. Die Sachen waren ein Totem für das Kind, das ich nicht haben würde. Genau dann nämlich, als für mich nicht mehr die Möglichkeiten meiner Hoffnungen auf eine IVF-Lösung gegeben waren, bei der ich mit meinem Partner all jene rigorosen und oft traumatischen Zyklen von teuren Behandlungen bis hin zu einem erfolgreichen Endergebnis durchlaufen würde. Trotzdem hätte es einmal fast geklappt, oder zumindest haben wir Jahre später für einen kurzen Moment das Gespräch darüber gesucht, aber diese Geschichte ist besser für einen anderen Tag aufgehoben. Wie auch immer jedoch, heute ist mir klar, dass diese Gegenstände Teil meines Trauerprozesses waren. Als die einzigen Symbole, die ich besitzen konnte, um meine Sehnsucht gegenständlich werden zu lassen, eine Mutter zu sein, denn diese Option war mir nun für immer genommen. Für dieses Los entschieden hatte ich mich nicht wie einige sonst, über die wir lesen oder die wir persönlich kennen, und die entscheiden, dass ein Kind zu haben nichts für sie ist oder dass es zu viele Unerwünschte auf der Welt gibt, die das Ökosystem nicht verkraften kann. Nein, diese Objekte waren vielmehr eine Verkörperung des Kindes, das ich hätte haben können. Wie meine anderen Vorstellungen, können auch diese Geschichten über das Großziehen von Kindern nur fiktiv über den Elternteil sinnieren, der ich hätte sein können, und ansonsten darüber, wie ich mit den Schrammen und den Schlägen umgegangen wäre, die mein Phantom-Nachwuchs vielleicht zu erleiden gehabt hätte. Ich werde nie wissen, wen ich hätte erschaffen, aufziehen können und was aus denen geworden wäre, in was sie sich verwandelt hätten. Wie sie wohl ausgesehen hätten, und ob wohl die Fürsorge oder die Veranlagung in ihrer Lebensgeschichte dominanter gewesen wäre?

Ich habe nichts mit dem Babybuch angefangen, jedenfalls noch nicht, doch ich habe es noch immer. Es könnte sich bei einer zukünftigen künstlerischen Arbeit gut machen, und wenn ich dieses ganze Thema in meiner Arbeit wieder aufgreife, bin ich bereit, erneut die Schublade zu öffnen, und wenn man den Anfang dieses Textes hier mitzählt, kann ich auch die Projektion dieser Personen in meiner Fantasie-Familie erforschen. Ich spiele mit Geschlechtsidentitäten, mit Rollenspiel, ich erschaffe und modelliere Erzählungen um, an die sich imaginäre Kinder halten können. Die Babykleidung habe ich allerdings real verwendet in meinem Kurzfilm "Tyven", ein kathartisches Kreativprojekt, wenn man so will. Ich bin mir sicher, dass es noch mehr davon geben wird, denn tief schneiden diese Dinge sich ein, diese gewaltigen Lebensschläge, die uns für eine Weile umhauen und uns zu dem machen, was wir sind.

"Tyven" wurde auf den Äußeren Hebriden gefilmt und zur Musik von Anthon Hunter in Beziehung gesetzt. Die Musik hat mich beim ersten Hören so angesprochen und irgendwie meine ganze Traurigkeit heraufbeschworen. Ihre melancholischen Klänge erinnerten mich an den Verlust und die Leere, die ich fühlte. Ein vager Versuch, die Option dessen zu akzeptieren, das zu sein, wovon ich annahm, dass ich durch diese Erfahrung dazu bestimmt war, es zu sein. All meine Unsicherheiten darüber, wer ich denn nun werden sollte, kamen so heftig an die Oberfläche, dass ich einfach einen Film darüber machen musste. Der Verlust eines Kindes, oder eben der Verlust des Potenzials eines Kindes, was viel besser zu meinem Zustand passt. Es ist komplex, aber im Leben gibt es wenig, das dich auf den Tag vorbereitet, an dem du das Gefühl hast, dass dein Körper völlig unbrauchbar ist. Wenn du den Grund hinterfragst, warum du hier bist, wirklich genau hier. Was du mit deinem Leben anfangen sollst, wenn dein eigentliches Wesen und dein Lebenszweck nicht mehr zur Debatte stehen, mag wie ein sehr dramatischer Aufzug erscheinen, nicht? Allerdings ist das Gefühl des Verlustes, den man nicht nur bezogen auf die eigene Gegenwart empfindet, auch mit dem Verlust der eigenen Zukunft verwoben.

Das Konzept der entrechteten Trauer ist mir erst vor kurzem auf meiner Lebensreise begegnet. Geprägt und erforscht vom Psychologen Professor Kenneth Doka, ist das eine Theorie, die mir sehr wirklichkeitsnah erscheint, und meine Erfahrung wird erforscht in seinen Büchern „Disenfranchised Grief: Recognizing Hidden Sorrow“ und „Disenfranchised Grief: New Directions, Challenges, and Strategies for Practice“. Das Phänomen wird als eine Trauer beschrieben, die in unserer Gesellschaft vielleicht nicht anerkannt wird. Unterbewertet oder völlig missverstanden, wird sie uns gegenüber ein wenig versteckt oder sogar verleugnet. Diese Art der Trauer mag auch deshalb auf dem Vormarsch sein, weil es in unserer Gesellschaft zunehmend eine „andere“ Frau gibt, nämlich die, die zu den Kinderlosen gehört. Hier gibt es keinen tatsächlichen Tod eines Kindes, die fragliche Person hat nie existiert. Die Trauer ist für das, was hätte sein können, was hätte sein sollen, was aber nie verwirklicht werden kann, egal wie viel „Arbeit“ man hineinsteckt, es gibt keine „Abhilfe“. Ich bin nicht schwanger geworden und hatte etwa eine Fehlgeburt, obwohl auch diese Art von Trauer in unserer Gesellschaft so stark unterschätzt wird, nämlich in Bezug auf die Mutter und vielleicht noch mehr den Vater, der vielleicht als etwas losgelöster vom ganzen Prozess angesehen werden mag, dessen Trauer jedoch genauso Gültigkeit besitzt. Noch habe ich etwa eine lebendige Person in mir heranwachsen lassen und dies mit allen möglichen Freuden und Schwierigkeiten und Sorgen erlebt. Niemals habe ich entbunden und angefangen, Neugeborenen die Welt zu zeigen, nur um danach zuzulassen, dass sie vor mir aus der Welt genommen werden. Genau dies wiederum wird, und zwar mit Rückendeckung seitens unserer Gesellschaft, oft als eines der entsetzlichsten Kümmernisse angesehen, die man sich vorstellen kann. Diese Trauer wird akzeptiert und schweißt Gemeinschaften zusammen. Dem Betrauern des Todes eines Kindes wird dann ein Platz eingeräumt. Die Art Trauer deswegen, kein Kind gehabt oder gar nicht die Möglichkeit gehabt zu haben, ein Kind zu bekommen, wird von vielen vielleicht nicht so sehr verstanden oder überhaupt wahrgenommen. Wie könnten sie auch etwas darüber wissen? Doch wie schon meine Einleitung andeuten mag, ist der Verlust all dieser potenziellen Momente nie gehabter Möglichkeiten, der Verlust der nicht gehabten, aber gewollten Familien dennoch Trauer, eine Trauer ohne Tod in der Form eines lebendigen Verlusts.

Die Idee, dass man um etwas nicht trauern kann, das man nicht verloren hat, ist nicht richtig, und es war genau diese Idee, der ich in „Tyven“ nachgehen wollte. Zusammen mit der Beschwörung einer Art von Ritual um sie herum. Ich lebte in einer Stadt, und mir wurde klar, dass ich zumindest ein Netzwerk von Freunden hatte, um meine Situation etwas abzufedern. Schon wahr, nur wenige von ihnen hatten das Gleiche wie ich durchgemacht, sodass das Erlebte manchmal schwer zu vermitteln war, aber immerhin waren sie für mich da. Ich stellte mir vor, wie es wäre, wenn man um sich herum nichts von diesem Helfers-Eifer hätte. Wie könnte eine Frau an einem isolierten und trostlosen Ort Ruhe vor den Qualen finden? Das Ritual des Waschens und des sorgfältigen Zusammenlegens der Möglichkeiten des Kindes war mir passend erschienen und bot sich an, um als normal die alltäglichen Verhaltensweisen darzustellen, die sonst das Aufziehen eines Kindes mit sich bringen könnte. Nun würden die Kleidungsstücke, die ich gesammelt hatte, niemals von meinen eigenen Kindern getragen werden, und so schien es passend, sie in diese Episode der Geschichte einzufügen. Nun konnte im Film dieses Paar seiner Trauer Ausdruck verleihen und seinen Verlust im Torf begraben, welchen der Mann jeden Tag an die Oberfläche befördert. Alles einmal begraben, schaut die Frau zu ihrem Partner auf, als wollte sie fragen: Was nun?

Nachdem ich auf meiner Lebensreise mit vielen Fragen rund um diese Art von Verlust zu kämpfen hatte, habe ich mich oft das Eine gefragt: Was nun, was ist mein Lebenszweck, wofür ist mein Körper da? Besonders da mein Leben der Wechseljahre bereits im Alter von dreiunddreißig Jahren begann, wenn die meisten Menschen ihre Familien gründen. Wiederkehrende Gedanken dringen in meinen Kopf ein: „Ich bin am Ende meiner Linie“, „Mein Genpool ist nicht mehr“, „Ich werde nach mir nie ein Gesicht mit meinen Augen, meiner Nase sehen“, nicht Zeuge dessen sein, dass meine Gesten von einem anderen nachgemacht werden, Gesten, bei denen selbst mir nicht bewusst ist, dass ich sie vollführe, die aber irgendwie weitergegeben und in einer anderen Generation lebendig gehalten werden. Was ist nun mein Vermächtnis? Daraus ergibt sich eine noch tiefere Trauer darüber, dass nach mir nichts von mir mehr existieren wird. Auch die Frage nach dem Ich, und ich frage mich, ob ich es wirklich loslassen kann und was es denn bedeutet, wenn man sich nach mir nicht an mich erinnert. Als Künstlerin würde ich gerne denken, dass meine Arbeit über mich hinaus weiterleben könnte. Sie mag das letztlich tun und mich irgendwie repräsentieren, aber da sie überwiegend digital ist, scheint sie auch temperamentvoller als traditionelle Medien zu sein, die Festplatte geht kaputt und alles ist weg. Aber bin ich überhaupt wichtig? Diese für mich erderschütternde Zeit, als ich für etliche Jahre sogar die Fähigkeit verlor, Kunstwerke zu erschaffen, hat mich direkt auf diese Frage verwiesen. Mein kreatives Unwohlsein, so würde ich es nennen. Die Möglichkeit der Empfängnis zu verlieren, die Möglichkeit mithilfe seiner selbst ein Leben zu erschaffen, dieses Wunder, das mir verwehrt wurde, war verheerend und legte alle Kreativität lahm, die ich aufbringen konnte. Ich schaffte es, den Kopf über Wasser zu halten, einfach um ihn irgendwie zurückzugewinnen. Natürlich wurde das Meer ruhiger mit der Zeit, die heilt und eine unschätzbar wertvolle Therapie ist. Aber diese winzigen Stürme fachen ab und zu die raue See aufs Neue an.

Wir werden so sehr mit Bildern von der Kernfamilie bombardiert, mit dieser Reihe von orchestrierten Lebensmustern, die für uns ausgelegt sind, damit wir ihnen folgen. Das dient als ständige Erinnerung daran, dass mein Leben als Frau eben beinhalten sollte, Kinder zu haben und sie aufzuziehen - und dann müssen natürlich die Enkelkinder kommen. Es kann sogar besser sein, eine Oma zu sein, sagt man. Diese Sache mit der bedingungslosen Liebe. Dass man Menschen hat, die zu einem aufschauen und vielleicht sogar nach einem schauen. Die Kämpfe und Freuden, die „Blut ist dicker als Wasser“-Momente. Ich werde das biologisch nie haben, und das kann einen schlau machen. Unzufriedenheit macht sich in diesen fundamentalen Momenten breit, und ich knicke innerlich ein. Meine Freundinnen, die schwanger werden, die so überglücklich sind und die Ultraschallbilder posten, damit wir alle sie sehen können, die Geburten und die Babyzehen, die Festtagstorte zu jedem Geburtstag und die Schulanfangsfotos mit den Zahnlücken. Die schrecklichen ersten zwei Jahre und die Teenagerjahre. Die Abschlussfeiern und die Hochzeiten. Und jetzt erst recht, allgegenwärtig, täglich sogar, in den sozialen Medien, überall, die ganze Zeit. Jede Plattform treibt mehr und mehr die stolzen Eltern oder Elternteile ins Rampenlicht. Darunter einige meiner sehr guten Freunde, alle feiern sie diese kleinen kostbaren Momente, und die großen, und die nicht so großen und nicht so kleinen, die sie erleben können und sollen. Dass ihre Lieblinge wachsen und etwas erreichen, ist wunderbar. Es ist fabelhaft für sie alle, das ist es wirklich, und ich würde keinem von ihnen diese Momente verweigern, dass sie sie nur ja teilen, sie etwas darüber herab von den Dächern schreien, aber für mich ist das auch eine gewaltige Erinnerung daran, dass es nicht das ist, was ich jemals haben werde. Und ich freue mich für sie alle, aber sticht es immer noch? Verdammt noch eins: Ja! Ich zeige es jetzt selten, wie ihr alle wisst, ich bin darüber hinweg. Meine Eierstöcke weg, oh, das war vor einer Ewigkeit. Zwanzig Jahre, na und? Ich war jung und wurde behandelt. Warum sollte ich es immer noch erwähnen müssen, wer will schon so ein Elend in so freudigen Zeiten wie diesen. Ich bin nicht dramatisch, nur realistisch.

Diese Momente, in denen diese Art von Trauer wieder auftaucht, können in Wellen kommen und gehen, während Babys zu Kindern und zu Erwachsenen werden und die verschiedenen Stadien der Kindesentwicklung von jedem Elternteil neu in Augenschein genommen werden. Klein und sehr unbedeutend mögen die Momente erscheinen, aber diese kleinen Dinge können zu gigantischen Monstern anwachsen, wenn man mit der Realität konfrontiert wird, dass man tatsächlich nie ein eigenes Kind haben wird. Es kann auch zu den seltsamsten Zeiten und unerwartet kommen. Etwa während mein Körper in seine verschiedenen Stadien hineinaltert. Auch holen meine Freunde mich jetzt ein. Sie sind in ihren Perimenos oder leiden unter Hitzewallungen. Ich werde wieder in dieses Reich der Hinterfragung meines Lebenszwecks hineingeschleudert, biete Tipps und Heilmittel an, die mir damals geholfen haben. Ich stoße Debatten darüber an, dass der Diskurs über die Wechseljahre so gut wie nicht vorhanden ist und dass ganze Generationen von Frauen ignoriert werden, was sie unsichtbar macht. Die Medien sind auf so ärgerliche Weise auf die jungen Leute fokussiert oder zelebrieren den Glamour dessen, dass man altert, aber es trotzdem schafft, jung aussehend zu bleiben.

Jody Day, die Gründerin der Organisation Gateway Women, bietet in all der Wildnis eine alternative Stimme für die vielen Frauen, die, wie ich, kinderlos sind und vielleicht auch bleiben. Eine Sichtweise, die aus persönlicher Erfahrung stammt, welche Sinnhaftigkeitsverlust und Erfahrungen beinhaltet, die nie ihre eigenen sein werden, Frauen vermittelt, die aus einem ganzen Tausend an Gründen die als traditionell angesehene Mutterrolle nicht erfüllen können. In vielen ihrer Seminare erörterte Day die Theorie, dass unsere Gesellschaft von dem überwältigt ist, was Day begrifflich als „Pro-Natalismus“ fasst. Eine Besessenheit von der "innewohnenden" Mutterfunktion. Da dies das einzige Ziel des weiblichen CIS-Geschlechts in den Medien ist, werden potenziell alle Frauen in ein Reich der Unverbundenheit geworfen, der Unverbundenheit sowohl mit der Gesellschaft als auch mit dem eigenen Körper, wenn Frauen nicht in der Lage sind, ihr Geburtsgeschlecht mit Leben zu erfüllen. Es gibt dieses wiederkehrende Narrativ, dass das einzige Ziel und der einzige Lebenszweck unseres Geschlechts die Fortpflanzung ist. Wenn unser Körper diese Funktion nicht erfüllt, hat er eine Leere oder einen Mangel zu beklagen, der niemals mit etwas ausgefüllt werden kann, und das kann den Kummer und den Verlust in die Länge ziehen, den diejenigen erleben, die aufgrund von äußeren Umständen kinderlos sind. Es ist vielleicht alles gar nicht real, sondern vielmehr eine Sehnsucht danach, das zu sein, wovon uns gesagt wurde, dass wir es sein sollten.

Wir wissen, dass wir nicht nur Maschinen sind, die ein Baby herstellen und es aufziehen. Wir sind begabte und leidenschaftliche Menschen, mit Antrieb und Ehrgeiz, und auch diejenigen von uns, die, aus welchen Gründen auch immer, keine Kinder bekommen haben, können extrem mütterlich und fürsorglich sein. Das wird nicht erst mit der Geburt des eigenen Kindes entfacht. Doch irgendwie wird uns oft diese Vorstellung abgesprochen, dass wir auch ohne Kinder einfach nur mütterlich sein können. Als hätten wir das Memo nicht mitbekommen. Jene Frauen, die Mütter sind, waren keine Mütter, bevor sie es wurden, also warum sollte jemand denken, die Kinderlosen hätten nicht auch die latente Fähigkeit dazu, es zu sein?

Aber nein, warte mal, rufst du aus, du kannst ja Mutter werden, du kannst es, du kannst ja immer ein Kind adoptieren. Auch das ist ein geläufiges Argument, das erst recht dazu dienen kann, diese besprochene Art von Trauer zu behindern. Es perpetuiert die Idee und die Erzeugung einer neuen Schuld, dass wir das alles vielleicht überhaupt nicht fühlen sollten, weil es doch Abhilfe gibt. Dass das Aufnehmen des fertigen Kindes eines anderen, eines armen, unglücklichen, entsorgten Wesens, das eine zuverlässigere Erziehung in Liebe braucht, unseren Verlust vollkommen vergelten würde. Wie schlecht bin ich dann also nur, wenn ich auch nur andeute, dass es gar nicht dasselbe ist, das Kind eines anderen Menschen großzuziehen, und dass es vielleicht auch nicht das ist, was ich mir ursprünglich für mein Leben als Mutter vorgestellt hatte. Würde ich als alleinstehende Frau überhaupt eine alleinerziehende Mutter sein wollen? Meine Mutter hat es getan, und es war hart. Es ist nicht so, dass ich an sich gegen die Idee bin, und natürlich ist es eine noble Sache, in sein Leben einen entrechteten jungen Menschen einzugliedern. Zwei Entmündigungen, die sich vielleicht gegenseitig aufheben. Allerdings kann ich zumindest mir selbst eingestehen, dass es einfach nicht dasselbe ist, dass es sich nicht gleich anfühlt, dass es nicht dasselbe wäre. Es wäre einfach anders. Ich habe mir einmal im Kopf ausgemalt, wie ich die Straße entlang schlendere und ein Fremder sagt: „Oh, sie sehen genauso aus wie du“, und da hätte ich mir auf die Zunge gebissen, weil ich hätte herausschreien wollen: „Wie könnten sie?!“.

Der Gedanke, dass ich der Adoption meinen eigenen Körper, meine eigene Biologie vorziehe, mag also egoistisch erscheinen, selbstsüchtig sogar? Vielleicht schon, aber was soll's, es ist ein Gefühl, das genauso gültig ist und das man ausdrücken dürfen sollte. Und das nicht bedeutet, dass ich eine Adoption niemals in Betracht ziehen würde. Doch wenn man nicht das Recht hat, das Ende des eigenen Erbes zu betrauern, das Fehlen und den Tod eines zukünftigen Selbst, warum diskutieren wir dann überhaupt über Evolution und Genetik? Ist es nicht eine angeborene Triebkraft der Natur, die eigene Linie fortzusetzen? Sie verstecken oder verleugnen zu müssen, ist verachtenswert, eine potenzielle Wurzel dieser ganzen Entmündigung. Unser Bedürfnis danach, diese Potenziale als verloren anzuerkennen, ist wichtig. Vielleicht sogar entscheidend. Ein Ventil zu haben, um die einmaligen oder mehrfachen Schwingungen, wenn man so will die Schritte der Akzeptanz dessen zu betrauern, dass auf der eigenen Unfruchtbarkeitsreise ein Kind zur Welt zu bringen für mich einfach nicht wahrscheinlich ist und das vielleicht nie möglich sein wird, ist etwas, das Day auch in ihren Interviews und Seminaren bei Gateway Women bespricht. Sie hebt hervor, dass in unserer Gesellschaft die Zahl der umstandsbedingt kinderlosen Frauen (und Männer) rapide zunimmt. Das Fehlen von Diskurs rund um dieses Thema ist ebenfalls aufschlussreich, aber Day ebnet den Weg, um denjenigen von uns, die zu dieser Kategorie gehören, eine Stimme zu geben. Einige erhellende Zahlen unterbreitet sie in einem Interview mit der Journalistin und Glücksforscherin Helen Russell in ihrem Podcast 'How to be sad', ausgestrahlt am 19. Mai 2021.

Day deutet an, dass das letzte Mal, dass wir diese Art von Kinderlosen im gebärfähigen Alter auch nur annähernd in der Größenordnung hatten, mit der wir es jetzt zu tun haben, verursacht wurde durch den Ersten Weltkrieg, der 1918 endete, und den darauf folgenden Börsenkrach von 1929, sodass man sagen kann, dass es in der Vergangenheit zwei globale Katastrophen brauchte, um dies zu schaffen. Die Zahlen, die Day zitiert, sind ebenfalls interessant: 25 % der erwachsenen Bevölkerung sind aufgrund von Absicht oder Umständen kinderlos, wobei 10 % der kinderlosen Frauen freiwillig die Kinderlosigkeit gewählt haben, 10 % können aufgrund von Unfruchtbarkeit nicht schwanger werden und gewaltige 80 % sind wegen einzelner Umstände kinderlos, weil aus einem ganzen Tausend an Gründen der richtige Zeitpunkt oder der richtige Partner einfach nicht für sie da war.

Diese Menschen sind bei unverstellter Sicht doch verborgen, und während der gesellschaftliche Druck uns mit der Rhetorik bedrängt, dass man eine Familie haben muss, um zu existieren und einen Platz in der Welt zu haben, werden die Kinderlosen entweder ignoriert oder verunglimpft, weil sie bei dem Programm nicht mitziehen. Eine Art Verdammung, die sie, wir, ich durchmachen müssen, wenn wir unter jenen mit Kindern wandeln. Wir wollen uns der Party anschließen, sicher, aber nicht als traurige Tante im Katzenjammer, als Hure, die einem bei der ersten Gelegenheit den Mann klaut, als herzlose Karrierefrau oder als Nächte durchfeierndes Partygirl, nur weil wir es können. Das sind die neuen Archetypen, die ein Erbe haben, das in der Figur der Hexe, der Vettel und der Hure verankert ist.

Das ist einfach nicht das, was wir wirklich sind. Ich wurde zu den Kinderpartys von Freunden nicht mehr eingeladen, als deren Kinder 4 oder 5 Jahre alt wurden. Die hektische, klebrige Fingerfertigkeit dieser Möglichkeit wurde vielleicht als zu viel für mich erachtet, oder es wurde vermutet, dass ich kein Interesse an einer Kinderparty hätte, wenn ich meine eigenen Kinder nicht mitbringen kann. Stattdessen wurde ich zur Last-Minute-Babysitter-Option oder zu einer Gestalt à la „Du willst doch mit mir an meinem kinderfreien Abend ausgehen und dich zudröhnen, oder?“ Unausgesetzt verfügbar und im Handumdrehen bereit, die ganze Nacht durchzumachen. Ich gehe natürlich gerne mal nachts aus, wie jeder andere auch, war aber nie wirklich ein 3-Tage-Non-Stop-Party-Typ, auch nicht in meinen jüngeren Jahren, also warum sollte ich das jetzt sein, nur weil ich keine Kinder habe?

Vielleicht triffst du einen Geschiedenen mit Kindern, das ist jetzt wiederum definitiv meine ideale Lückenfüller-Option, wo ich mich tatsächlich dem „echten“ Alter der Wechseljahre nähere. Es ist alles möglich, aber ich werde nicht danach suchen, nur um mir eine vorgefertigte Familie zuzulegen, weil ich meine eigene nicht hervorbringen konnte. Es gibt noch viele Dinge, die ich gerne tun würde, und wer weiß schon, ob Kinder da vielleicht nicht auch ein Faktor sein werden? Man sagt, man soll niemals „Nie“ sagen, denn man weiß ja nie. Aber den Namen auszusprechen, den ich irgendwann für mein eigenes biologisches Kind gewählt hätte, ist hier ganz sicher die Ausnahme. Es gibt tatsächlich einige „Nie“-Sachen, fürchte ich, und als kinderlose Frau ohne Eierstöcke ist das etwas, die ich nie sagen werde. Ich kann mir jedoch die Seiten des Baby-Buches an die Wand kleben, da ich es mir von Zeit zu Zeit anschaue und Vorstellungen von jenen Kindern baue, die hätten sein können, hätten sein sollen, hätten sein müssen.

Also: Wo war ich? F, F für Freddy?

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